Ludwigstein, Burg

Gründung und Bau

 

Die Entstehungsgeschichte der Burg Ludwigstein - in früheren Quellen auch "Ludewygesteyn" oder "Trutzhanstein" genannt - fällt baugeschichtlich in die spätgotische Zeit und ist von legenden umwoben. Matthäus Merian d.Ä. schreibt, dass die Burg "durch Hilfe des Teufels und er schwarzen kunst in einer Nacht auferbauet worden sei, zur Zeit, als die Fürsten mit den Hansteinern und anderen damals verfehdeten Edelleuten gekrieget".

 

Sicher ist: Ein wichtiger Grund für die Errichtung des Ludwigsteins ist die Existens der Burg hanstein uf der anderen Seite der Werra. Im Gegensatz zum protestantischen Hessen gehört der nämlich mit dem gesamten Eichsfeld zum katholischen Erzbistum Mainz, und der Friedensvertrag mit den Mainzern ist gerade erst abgeschlossen worden. Die Befestigung der Landesgrenzen ist oberstes Gebot, und so entstehen etwa zur gleichen Zeit wie der Ludwigstein die Grenzfeste Ludwigsaue an der Fulde (1416) und Ludwigseck im Knüllgebirge (1419)

 

Die Namen der drei Burgen gehen auf den hessischen Landgrafen Ludwig I. (1402-1458), genannt Ludwig der Friedfertige, zurück. Wenn der Ludwigstein tatsächlich auf seinen Befehl hin erbaut worden ist, dann darf das wohl als früher Fingerzeig in Richtung Jugendherberge verstanden werden - denn der junge Herr ist 1415 erst 13 Jahre alt und steht noch unter der Vormundschaft des Herzogs Heinrich von Braunschweig-Lüneburg.

 

Dass die Burg wenn nicht in einer Nacht, so doch sehr rasch errichtet worden ist, ist allerdings nachgewiesen. Die Kunde über den baubeginn verdanken wir den schon damals akribisch geführten Rechnungsbüchern: Aus einer Rechnung für drei Bierlieferungen für die Bautruppe der Burg geht hervor, dass der junge Landgraf im Juni 1415 von Marburg nach Homberg reist, und dass Ritterschaft, Bürger und Landvolk am 4. Juli 1415 von dort aus aufbrechen, um das Werk zu beginnen.

Bereits am 28. April 1416 ist der Bau soweit abgeschlossen, dass Hans von Dörnberg als erster Amtmann auf Burg Ludwigstein verpflichtet wird.

 

Die Burg als Amtssitz

 

Als Hans von Dörnberg am 28. April 1416 als erster Amtmann auf Burg Ludwigstein verpflichtet wird, ist ihm das Amt Witzenhausen mit 1466 Ländereien und Einkünften in den Dörfern Oberrieden, Wendershausen, Hilgershausen, Hundelshausen, Weißenbach, Roßbach, Kleinalmerode, Bischhausen und der Stadt Witzenhausen unterstellt. Burg Ludwigstein liegt zudem oberhalb der wichtigen Handelsstraßen, die seinerzeit noch östlich der Burg entlang führt und ist Mittelpunkt der Verwaltung und der Gerichtsbarkeitim hessischen Werraraum. Im 16. Jahrhundert kommen noch weitere Dörfer um Witzenhausen, Eichenberg und Friedland zum Herrschaftsbereich des Ludwigstein hinzu.

 

Hans von Dörnberg, zuvor hessischer Marschall und Amtmann in Homberg an der Efze, versieht seinen Dienst auf der Burg bis etwa 1421. Ihm folgt eine lange Reihe hessischer Adeliger in derselben Funktion. Die Herren Diede, Meisenburg, von Buttlar, von Berlepsch, von Herda, von Boyneburg, von Hanstein, Rommel und Steinberg tauchen in Urkunden und Rechunngen als Amtmänner, aber auch als Pfandinhaber auf. Denn immer wieder müssen die klammen Landgrafen ihre Ämter (nebst deren Einkünften) über kurz oder lang verpfänden. Unter den Amtmännern ragt der jüngere Hans von Dörnberg (1427-1506) hervor, der Sohn des ersten Amtmanns auf dem Ludwigstein. jahrzehntelang ist der Vormund jugendlicher Landgrafen und dank seiner politischen und organistatorischen Fähigkeiten der eigentliche Regent Hessens.

 

Ein Zwischenspiel erlebt der Ludwigstein von 1545 bis 1574 als Lehen und selbstständiges Adelsgeschlecht. ein Gegengeschäft zur Versorgung von Verwandten seiner Mätresse hat der Landgraf Philipp von Hessen dazu genötigt, die Burg und Amt seinem Kammerdiener Christop Hülsing und dessen Nachkommen als Lehen zu übertragen. erst nach zähen Verhandlungen gelingt später der Rückkauf in landesherrlichen Besitz. Seitdem wird die Burg nicht mehr verpfändet, und es residieren auf dem Ludwigstein wieder hessische Amtmänner.

 

Einem Stich von Wilhelm Scheffer (genannt Dilich) aus dem Jahr 1605, der ersten bildlichen Darstellung des Ludwigstein, ist zu nehmen, dass die Burg zu dieser Zeit noch weit aufwändiger gestaltet ist, als sie sich dem Betrachter heute darbietet. Insbesondere ist der Burg Hanstein zugewandte Mittelabu um ein Stockwerk höher , Landgrafenhügel und Seitenbau sind mit Giebeln - der Landgrafenflügel mit einem gotischen Stufengiebel - versehen, die Vorburg ist bebaut, und südlich der Burg schließt sich ebenfalls eine geschlossene Bebauung unter anderem mit einer Kapelle an. Als spätgotisch werden auch die sogenannten Vorhangbogenfenster angesprochen, die an mehrern Stellen in den Außenmauern zu sehen sind. Einige Umbauten und Erweiterungen gehen dagegen auf das 16. Jahrhundert zurück und weisen dementsprechend Elemente der Renaissance auf. Die für den Landschaftsraum typischste Schmuckform der Frührenaissance ist die als Vereinfachung der mediterranen Muschelform zu deutende Rosette, die sich beispielsweise in der hofseitigen Fassade des Landgrafenflügels wieder findet.

 

Trotz der grenznahen Lage bleibt es durch alle Zeiten friedlich um den Ludwigstein. Selbst den Dreißigjährigen Krieg übersteht die Burg unbeschadet - ganz im Gegensatz zur benachbarten Burg Hanstein: Auf dem Stich von Dilich noch vollständig intakt wird sie 1632 von den Schweden zerstört und seitdem eine Ruine.

 

Die Reihe der hessischen Amtmänner auf dem Ludwigstein setzt sich mit Holle, von Hesberg, Lucanus, Ungefug und Wasserhuhn fort. Zum Adel gesellt sich nun auch zunehmend das Bürgerturm, der letzte Amtmann wohnt bereits in Witzenhausen, und einige Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg ist die Zeit als Amtssitz für den Ludwigstein vorbei.

 

War die Versorgung der Burg von jeher schwierig - der Ludwigstein verfügt über keinen Brunnen, und Frischwasser musste über den Eselspfad mühsam vom unterhalb der Burg gelegenen Bornhaus hinausgeschafft werden - so waren Burgen seit der zunehmenden Entwicklung von Feuerwaffen zudem nur noch bedingt sicher. Und schließlich nahm auch auf dem Land die Bedeutung der städtischen Zentren immer mehr zu. 1664 wird das Amt Ludwigstein mit dem Schultheißenamt Witzenhausen vereinigt. Die Burg verliert damit nach rund 250 Jahren ihre Eigenschaft als Amt- und Gerichtssitz und wird zum Sitz einer Domänenverwaltung.

 

Domänenverwaltung

 

Nachdem der Ludwigstein seine Funktion als Amtssitz im Jahr 1664 gegen die einer Domänenverwaltung eingetauscht hat, kommt es 1700 zu umfangreichen Umbauten, in deren Zusammenhang unter anderen die Anzahl der Geschosse im Mittelbau verringert wird. Mehrere Jahreszahlen - etwa an der Galerie vor dem Seitenbau (1702) und am unteren Geländerpfosten der Freitreppe vor dem Landgrafenflügel (1735) - zeugen von Aktivitäten, die weiter vom Charakter der Trutzburg weg und mehr hin zu einem eher gutsherrschaftlichen Erscheinungsbild führen.

 

Bis in das 19. Jahrhundert hinein dient der Ludwigstein vorwiegend als landwirtschaftlicher Gutshof. Letzter "Conductor" (Pächter) ist 1815 der Oberriedener Lehrer Wilhelm Ehrbeck, der auf der Burg Schulunterricht gibt. Nachdem auch dieser das Gemäuer verlassen hat, und um 1830 die Domänenverwaltung in Wendershausen eingerichtet wird, wohnt nur noch ein Ackervogt (Hofmann) auf dem Ludwigstein. Ein erneuter Nutzungsversuch als Brauerei scheitert 1835, und so setzt allmählich der Verfall ein.

 

Der Turm erhält 1857 ein neues, deutlich flacheres Dach mit Blecheindeckung. Die ersten Gebäude im Umfeld und auf der Vorburg werden seit 1862 abgebrochen, und nur als Schafstall oder Lagerplatz wid die seit 1870 unbewohnte Burg noch genutzt.

 

Bis auf eine fast vergessen Begebenheit: Um 1875 soll hier unter abenteurlichen Umständen ein heimliches Kundenkonvent der Tippelbrüder stattgefunden haben...

 

Inwieweit solche Ereignisse dazu beigetragen haben, dass der Ludwigstein in einem

Vertrag von 1882 schließlich als "für wirtschaftliche Zwecke enbehrlich" bezeichnet und

aus der Unterhaltsverpflichtung der Domäne entlassen wird, sei dahingestellt. Sicher ist,

dass der Verfall in der Folge - nicht zuletzt aufgrund der Entnahme brauchbarer

Stützelemente durch die Bauern der umliegenden Dörfer, wesentlich beschleunigt wird.

 

Erwerb als Jugendburg

 

Um 1890 brechen Berlin-Steglitz Schülergruppen um den Studenten Herrmann Hoffmann zu Wanderfahrten auf. Die Idee des einfachen, naturverbundenen und selbst bestimmten Unterwegssein findet in der Enge des kaiserlichen Deutschland rasch Verbreitung, und der Wandervogel entsteht. Auf ihren Zügen " Aus grauer Städte Mauern" suchen die ersten Wandervögel die Einsamkeit der Wälder - und bevorzugen als Treffpunkt fernab der Zivilisation alte, geschichtsträchtige Ruinen. Schon früh entdecken sie so den Ludwigstein.

 

Älteste erzählungen nenn die Jahre 1905 und 1906, als erste Gruppe den Weg hinauf zu der seit Jahren verfallenen Burg finden. Leicht ist der Einstieg nicht, denn das alte Tor ist von innen mit einem Riegel verschlossen, und es muss erst ein Weg durch Mauerlöcher und Schutt hinein in den Burghof gefunden werden, der dann verlassen und verfallen, voller Geröll und Wildwuchs vor den Jugendlichen liegt. Doch die Schnitzereien an den alten Balken und die alten Mauernischen lassen viele Geschichten erahnen, der "Geheimtipp" spricht sich herum, und bald schon wird der Ludwigstein zu einem beliebten Ziel der Gruppen.

 

Die Idee, die Burg als Jugendburg zu erwerben und wieder aufzubauen, wird dem Wandervogel und Hannoveraner Student Enno Narten (1889-1973) 1908 auf einer geologischen Exkursion zur Burg Hanstein von seinem Professor Hans Stille nahe gebracht. Vielleicht auch, weil der Ludwigstein von der hohen Warte des Hanstein aus recht klein und di Aufbauarbeiten überschaubar zu sein scheint, lässt ihn die Idee in der Folge nicht mehr los.

 

Deutschlandweit bekannt wird der Ludwigstein fünf Jahre später durch den Freideutschen Jugendtag, der 1913 auf der Meißner stattfindet. 2000 bis 3000 Juendliche kommen dort zusammen, um "nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung und in innere Wahrhaftigkeit" ihr Leben zu gestalten. Der Berg wird seither Hoher Meißner genannt und bleibt mit dem Ludwigstein aufs engste verknüpft. Enno Narten schreibt in seiner späteren Erinnerung:

 

"Wir waren nach dem Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner 1913 noch einige Tage auf der Burg, heimlich, ohne Erlaubnis, hoch romantisch! Wir nannten uns Herr der Burg. Wie waren wir doch beneidenswert jung und unbekümmert damals! Die Welt wollten wir aus den Angeln heben, und unser deutsches Vaterland sollte von Grund auf umgekrempelt werden, Lebensreform, Politik der anständigen Gesinnung und Wahrhaftigkeit, dass waren unsere Losungen in damaliger Zeit. Erfüllt von diesen Zielen und der unser harrenden Arbeit überaschte uns der Krieg. Wir zogen als Kriegsfreiwillige hinaus, so selbstverständlich, als sei es unser innerstes Gesetz."

 

Damit rücken die Pläne zunächst einmal in weite Ferne. Unter dem Eindruck der vielen gefallenen "Feldwandervögel" beschließt jedoch eine kleine Gruppe um Enno Narten bereits an Weihnachten 1914 in St. Quentin (Frankreich), alles daran zu setzen, den Ludwigstein nach dem Krieg als ein lebendiges Ehrenmal für ihre gefallenen Brüder zu erwerben und wieder aufzubauen. Enno Narten kehrt als einziger zurück, um diesen Willen in die Tat umzusetzen. In einem leidenschaftlichen Aufruf wendet er sich im März 1920 an die Gruppen:

 

"Meißnerjugend von 1913, es gilt eine Tat, und es gilt, sie rasch zu tun... Hier ist Gelegenheit der ganzen Welt zu zeigen, was Jugendkraft und Begeisterung vermag, wie Schaffensfreude und Sehnsucht nach einem Ziele alle kleinen Schranken niederreißt und Euch alle, jung und alt, aus allen Bünden vereint zum gemeinsamen Werk, zum Aufbau des Erinnerungsmales für unsere Gefallenen".

 

Und tatsächlich wird rasch gehandelt. Genug Geld zum Erwerb kommt zusammen, am 4. April 1920 gründen die Angehörigen der Bünde eine "Vereinigung zum Erwerb und zur Erhaltung der Burg Ludwigstein bei Witzenhausen und Werra", und noch im selben Jahr stimmt der Staat - nunmehr Preußen - dem Verkauf der Burg mit der Auflage der Renovierung und der Öffnung für die Allgemeinheit zu.

 

Am 1.5.1920 tritt Hans Schneidewind sein Amt als erster Burgwart auf dem Ludwigstein an und bezieht im Turm Quartier. Und am 2.6.1920 tritt Hans Schneidewind sein Amt als erster Burgwart auf dem Ludwgstein an und bezieht im Turm Quartier. Und am 2.6.1922 wird die Burg vom preußischen Regierungspräsidenten im Beisein von 2000 Gästen feierlich der Vereinigung übergeben. Walther Rathenau sagt im gleichen Jahr:

 

" Zu diesem Werk gehört viel Mut und Zähheit, Geduld und Vertrauen. Mut und Zähigkeit müssen die für den Ausbau des Ludwigstein Verantwortlich besitzen, Geduld und Vertrauen muss diesen von der gesamten Jugend sein, auf die wir Alten unsere ganze Hoffnung für des Vaterlandes Zukunft setzten."

 

Wiederaufbau

 

Gelbeschaffung, Bau und Begegnung, dies sind die zentralen Themen, die sich in den 1920er Jahren um die Burg bewegen. Besonders die Finanzierung des Aufbaus einer Ruine zu einer Herberge und seit 1922 zu einem Reichsarchiv der deutschen Jugendbewegung bereiten in Zeiten einer rasanten Geldentwertung große Sorgen. Aber Not macht erfinderisch: Die Burg gibt eigenes Geld in Form von Opferscheinen heraus. Bei reichsweiten Opferwochen sammeln die verschiedensten Bünde der Jugendbewegung durch Laienspiel, Lichtbildvorträge und Liederabende Spenden für die Burg. Schatzmarken und Bausteine bringen Geld in die Kasse. Und auch die Mitglieder der Vereinigung geben ihren Teil - eine große Anzahl der über 1000 Mitglieder zweigt monatlich ein Zehntel seines Einkommens für die Burg ab. Der Kronacher Bund schafft eine "Burgwartshilfe", um dem Burgwart eine angemessene Bezahlung zu ermöglichen, und 1923 wird auf der Burg ein Verkaufsraum mit handwerklichen Produkten aus den Gruppen eröffnet.

 

Wer kein Geld geben kann, packt beim Aufbau mit an. Gerade in den wirtschaftlich schwachen Zeiten finden viele arbeitslose Jugendbewegte ihren Weg zum Ludwigstein. Daneben zieht es die verschiedensten Jugendtruppen immer wieder von Fahrt auf die Burg. Steine und andere Baumaterialien gelangen zum Teil von Hand zu Hand den Burgberg hinauf, und langsam entsteht aus der Ruine wirklich wieder eine Burg, die zum geistigen Zentrum der Jugendbewegung und zur Stätte gegenseitiger Begegnung wird. Der Burgwart Hans Schneidewind beschreibt die Grundlagen des Miteinander höchst unterschiedlicher Gesinnungen:

 

"Es wurde viel diskutiert - geklönt sagte man damals - aber ehrlich sagen musste man, wie man es meinte. Wer auf der Burg etwa Propaganda machen wollte, der war schnell draußen. Auch musste man den anderen so gelten lassen, wie er war. Das ging ja auch gar nicht anders, weil hier die verschiedensten Bünde und Richtungen, vom Jungdeutschen Orden bis zur Kommunistischen Jugend unter einem Dach zusammenkamen. Und sie kamen nicht unter der freundlichen Leitung von diskusionserfahrenen älteren Herren, sondern nur mit dem Wissen um diesen Geist der Burg. Es ist mir heute noch unfassbar, wie dieses immer wieder gelang. Von "innerer Wahrhaftigkeit", vom "Vermächtnis der gefallen Wandervögel", von "Toleranz" wurde nicht viel gesprochen, aber das alles war da!"

 

Die erste große Baustelle der Gruppen ist der Landgrafenflügel, der bereits 1921 abgetragen, gehoben, gerichtet und vollständig wieder aufgebaut wird. Das Jahr 1922 steht ganz im Zeichendes Innenausbaus. Der Seitenbau wird als Notbleibe hergerichtet, der Mittelbau als Wirtschaftsbau wieder in Betrieb genommen. Obwohl es auf der Burg keinen Strom gibt, wird bereits mit der Verkabelung begonnen. 1923 wird der Söller vor der Burg neu errichtet.

 

1924 tritt Harry Schliedermann sein Amt als Burgwart an. Die Dächer von Seiten- und Mittelbau werden abgedeckt, die Dachstühle niedergelegt und neu aufgerichtet. Fachwerkwände werden erstzt, drei Schornsteine werden neu gemauert und alle Gewände der Fenster erneuert. Zudem werden der Turm und der Kamin des Mittelbaus neu verfugt. Mit dem Ausmauern der Gefache sind die Rohbauarbeiten nach vier Jahren weitgehend abgeschlossen.

 

1925 werden Zuleitungen für Wasser, Strom und Telefon verlegt. Am Fuß der Burg wird das Brunnenhaus errichtet, das eine Wasserpumpe, einen Transformator und die neue Wohnung des Burgwarts aufnimmt. Eine Blitzschutzanlage wird installiert, die Turmhaube erneuert und der Greif des Wandervogels als Wetterfahne aufgesetzt.

 

Im gleichen Jahr tritt Karl Laabs als Vorsitzender an die Stelle von Enno Narten. In den Folgejahren sorgt eine Vielzahl von Verschönerungsmaßnahmen dafür, dass die Burg für die Gruppen immer attraktiver wird. Nicht jede Initiative wird zum Erfolg. Eine im Jahr 1927 gestartete Lotterie bringt die Vereiniguuung an den Rand des finanziellen Ruins. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Herbergsvertrieb aber bereits gefestigt.

 

Zu Beginn der 30er Jahre werden ein Zwerchhaus (auf dem Landgrafenflügel) und eine Giebelhaube (auf dem Mittelbau) neu errichtet, sowie der Pferdestall durch die Schaffung großzügiger Fensteröffnungen zum "Rittersaal" umgestaltet. Mit den Arbeiten am Gedenkraum, die den Ausbau abschließen sollen, wird 1932 begonnen.

 

Die NS - Zeit

 

Glaubt man einer Postkarte vom 15.4.1933, so beginnt das Dritte Reich auf dem Ludwigstein "in einer ganz harmlosen Weise": Die Burg wird von der NSDAP besetzt, und zwei Parteimitglieder übernehmen die Verwaltung. Ganz harmlos? Der Schreiber dieser Karte teilt salopp mit: "...es sind zwei Kronacher". Zwei Kronacher, also Mitglieder eines Bundes alter Wandervögel, besetzten die Burg des Wandervogels. So verwirrend es klingt, liest sich vieles zur Geschichte der Burg in der Zeit von 1933 bis 1945.

 

Am 12.11.1933 wird auf der Burg eine HJ-Gebietsführerschule errichtet - und genau eine Woche später sind die seit 1920 andauernden Arbeiten zum Wiederaufbau des Ludwigstein als Jugendburg mit der feierlichen Einweihung des Gedenkraums abgeschlossen. Zu Beginn scheint sich auf der Burg ein halbwegs erträgliches Miteinander

zwischen der freien Jugendbewegung und der Hitlerjugend zu entwickeln. Dies ändert sich jedoch bald. Die vielfältigen Jugendbünde, die den Ludwigstein getragen und überhaupt erst zur Stätte der Begenung gemacht haben, werden verboten, illegale Fortführung bestraft. Die Älteren aus der Jugendbewegung versuchen dennoch, durch Anpassung und Trickserei an ihrer Burg festzuhalten, aber 1939 muss sich die Vereinigung endgültig auflösen, und die Burg wird dem Reichsverband für Jugendherbergen übertragen.

 

rasch gründen die früheren Jugendbewegten einen Förder- und Freundeskreis. Sie können so zumindest das umfangreiche Reichsarchiv der deutschen Jugendbewegung sichern und sogar noch weiter ausbauen. Am Burgtor und am Turm werden die noch heute zu sehenden Gedenktafeln eingeweiht, die bekräftigen, dass es sich bei der Burg um ein Ehrenmal des Wandervogels handelt. Selbst im Krieg gibt der Freundeskreis noch Sonderhefte an frührer Jugendbewegte heraus und wirbt für den Ludwigstein.

 

Am 17.9.1941 findet aber auch diese letzte Phase begrenzt eigenständigen Handelns ihr Ende: Der Gestapo wird das beharrliche Treiben der ewig Jugendbewegten zu bunt. Der Freundes- und Förderkreis wird zwangsweise aufgelöst und das Archiv 1942 in das Reichinstitut für nationalistische Jugendarbeit nach Berlin-Charlottenburg überführt. Nach der kriegsbedingten Auslagerung aus Berlin geht es in den letzten Kriegstagen bei Lichtenstein in Sachsen vollständig verloren.

 

Der Kreis der Ludwigsteiner, der auch nach 1941 informell fortbesteht, ergreift jedoch unmittelbar nach Kriegsende sofort wieder die Initiative. Da er während der NS-Zeit als "staatsgefährdent" eingestuft worden ist, wird er bereits im Juli 1945 von der amerikanischen Bestzungsmacht als Vereinigung Jugendburg Ludwigstein und rechtmäßiger Eigentümer der Burg neu erkannt.

 

 

Noch einmal Grenzburg

 

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs steht der Ludwigstein mit einem Mal wieder an einer Grenze. Die in Sichtweite gelegene Burg Hanstein befindet sich bereits in der sowjetischen Besatzungszone. Die Überlebenden aus der alten Jugendbewegung finden den Ludwigstein nach dem Auszug der letzten Flüchtinge 1946 "fast besenrein" ausgeräumt vor. Selbst die Fensterlaibungen mussten in der Not als Brennmaterial herhalten. Ausgeräumt und leer fühlen sich auch viele der Ludwigsteiner. Die Vielfalt der einstmals auf der Burg versammelten Jugendbünde lässt die Vielfalt der persönlichen Lebenswege erahnen. Viele sind im Krieg gefallen oder sitzen in Kriegsgefangenenlagern ein. Manch einer der Jugendbewegten hat sich vom Dritten Reich die Verwirklichung seiner ideale erhofft, manch anderer hat gerade aus jugendbewgten Idealen heraus seinen Weg in den Widerstand gefunden, ist in einem Konzentrationslager zerbrochen oder emigriert. Und doch finden sich die ältere gewordenen Jugendbewegten auf dem Ludwigstein wieder zu einer Gemeinschaft zusammen. Die Atmosphäre auf der Burg zwingt geradezu dazu, auch den Gegner in Ruhe anzuhören, und die Überzeugung des anderen zu achten, selbst wenn man sie nicht teilen kann.

 

1947 wird der Neuaufbau des Archivs beschlossen. Auch junge Gruppen gründen sich wie ehedem neu und legen offen ihre Bekenntnisse zur Burg der Jugendbewegung ab. Die Deutsche Jugend des Ostens wird 1951 von Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten auf dem Ludwigstein ins Leben gerufen, und im gleichen Jahr gibt sich der neu gegründete Bund Deutscher Pfadfider auf der Burg eine Orientierung. In der Erklärung zum Bundesthing heißt es:

 

"An der Quelle der Kraft unserer Jugendbewegung haben wir die Einigkeit neuen deutschen Pfadfindertums den Jungen erfochten".

 

1953 schließlich entsteht auf der Sonnenkanzel unterhalb der Burg der Zugvögel, Deutscher Fahrtenbund, der nach den Erfahrungen des Krieges die absolute Gewaltlosigkeit in seine Stauten aufnimmt. Ihm schreibt Burgwart Walter Jantzen in seine Gründungschronik:

 

"Mit dem Ludwigstein beginnen heißt, Verantwortung tragen, mehr als der Durchschnitt vermag".

 

1955 - die Gruppen sind gerade mit dem Ausbau des Turms beschäftigt - erleben die Ludwigsteiner die Ankunft der letzten Spätheimkehrer aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, die in einer langen Buskolonne auf dem Weg in das Grenzdurchgangslager Friedland unterhalb der Burg Rast machen. Jedoch die Grenze zwischen Ost und West wird immer undurchdringlicher. Auch auf dem Nordturm der Burg Hanstein ziehen Posten der DDR-Grenztruppen auf. Schon 1954 ist im Gedenkraum ein Ewiges Licht des Hessischen Jugendrings für die Einheit Deutschlands entzündet worden, das von da an bis zur Wiedervereinigung 1990 brennen wird. 1961 - im Jahr des Mauerbaus - weiht der hessische Ministerpräsident Georg August Zinn den Kriegsopferfriedhof unterhalb der Burg ein, auf dem neben in Nordhessen gefallenen Soldaten auch Kriegsgefangene, Fremdarbeiter und Gestapo-Häftlinge ihre letzte Ruhestätte finden. Schon im Vorfeld haben deutsche, belgische und amerikanische Soldaten gemeinsam mit deutschen Jugendtruppen die Hauptzufahrt zur Burg als "Weg der Besinnung" neu angelegt. Der Ludwigstein bekommt neben seiner Rolle als Ehrenmahl und Zentrum der Bünde eine weitere Bedeutung.

 

Zugleich entwächst der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein eine neue Initiative mit dem Ziel, die Jugend Europas auf der Burg zusammenzubringen. Seit 1953 zeigt Jahr für Jahr der Arbeitskreis Europäische Jugendwochen die Einheit in Vielfalt der europäischen Kulturen. Bei Volkslied und Volkstanz und einem vielfältigen Programm gemeinsamer Werkstätten lernen sich Jugendliche aus unterschiedlichen europäischen Regionen kennen und achten.

 

Nachdem die Burg wieder instand gesetzt ist, wird zudem mit ihrer Erweiterung begonnen. Als erstes großes Gebäude entsteht der dreigeschossige Meißnerbau mit dem großen Saal und 1913 - eingeweiht wird. In der Folge des Meißnerlagers von 1963 wird auf der Burg der Ring junger Bünde gegründet.

 

Auf Initiative der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein als eingetragenem Verein wird am 7.3.1970 die Stiftung Jugendburg Ludwigstein und Archiv der deutschen Jugendbewegung ins Leben gerufen, der die Burg übertragen wird. Die Vereinigung wird damit zum Förderverein.

 

1976 ensteht der - zunächst als Flachbau ausgeführte Hansteinflügel mit dem Schwimmbad, 1986 das Dachgeschoss und der Bilsteinflügel, in den ein Jahr später die neu gegründete Jugendbildungsstätte Einzug hält.

 

Schließlich wird im Jahr der Wiedervereinigung der Witschaftsanbau mit einer modernen Großküche - und damit ein eigener Speisesaal im Mittelbau - eingeweiht.

 

Burg Ludwigstein heute

 

40 bis 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind heute auf der Jugendburg Ludwigstein beschäftigt. Mehr als 50% der regulären Arbeitsstunden werden von Jugendlichen im Bundesfreiwilligendienst, im Freiwillgen Jahr der Denkmalpflege, im Freiwillegn Ökologischen Jahr, in der Ausbildung und in verschiedenen Praktika geleistet. Eigenverantwortliches, selbsttätiges und gemeinschaftliches Handeln steht dabei für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an erster Stelle.

 

Die Burgherberge verfügt - einschließlich Brunnenhaus - über 189 Betten. Unter den 16000 Herbergsgästen (35000 Übernachtungen), die den Ludwigstein Jahr für Jahr besuche, machen Schulklassen die stärksten Belegungsgruppe aus. Aber auch Chöre, Singe- und Tanzgruppen, kirchliche Gruppen, Naturschutzverbände und Universitäten, die die Atmosphäre und den Geist des Ortes als bereichernd empfinden, sind auf der Burg oft Stammgäste.

 

Während die Gebäude und der Betrieb der Burgherberge weiterhin von der Stiftung Jugendburg Ludwigstein bewirtschaftet werden, obliegt die Verwaltung des Archivs der deutschen Jugenbewegung seit 2003 als Außenstelle dem Hessischen Staatsarchiv in Marburg, und die Jugendbildungsstätte firmiert seit dieser Zeit als gGmbH.

 

Die Jugendburg Ludwigstein gibt als geistiges Zentrum der Jugendbewegung Impulse in die Bünde und erhält von dort ihre wesentliche Anregung. Jugendliche aus den Bünden leisten als Raumpaten bei den Sommer und Winterbauhütten und bei der Organisation von Veranstalzungen Jahr für Jahr rund 5000 freiwillige Arbeitsstunden der Enno-Narten-Bau errichtet, in dem unter andern die Burgbauhütte und die Jugendbildungsstätte untergebracht sind.

 

Der Ludwigstein ist aber nach wie vor auch Treffpunkt älterer Mitglieder der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein, die mehrmals jährlich und oft auch gemeinsam mit ihren Kindern und Enkeln zu Tagungen und Familientreffen zusammenkommen. Die Burg veranstaltet außerdem einmal im Jhr ein Regioforum, um mit Politikern aus der Region und mit der regionalen Bevölkerung über jugendbewegte Themen im gesellschaftlichen Bezug ins Gespräch zu kommen.

 

Vor über 90 Jahren haben Wandervögel den Ludwigstein neu errichtet - als Jugendherberge und als vom Geist der Jugendbewegung geprägtes, lebendiges Ehrenmal. Diesem Geist ist die Burg bis heute treu geblieben. Und jeder, der den Ludwigstein - selbst tätig oder als Gast - erfährt, kann einem Beitrag dazu leisten, dass die Ideen der Jugendbewegung auch künftig auf der Burg lebendig bleiben.

 

Quelle: www.burgludwigstein.de